- Wirtschaftsnobelpreis 1979: William Arthur Lewis — Theodore William Schultz
- Wirtschaftsnobelpreis 1979: William Arthur Lewis — Theodore William SchultzDer Brite und der Amerikaner wurden für für ihre Pionierleistungen auf dem Gebiet der Entwicklungstheorie geehrt.BiografienSir (seit 1963) William Arthur Lewis, * Castries (St. Lucia) 23. 1. 1915, ✝ Bridgetown (Barbados) 15. 6. 1991; 1940 Doktor der Philosophie, 1948-58 Professor an der University of Manchester, 1959-62 Vizekanzler der Universität der Westindischen Inseln, 1963-83 Professur an der Princeton University; wirtschaftlicher Berater in Afrika, Asien und der Karibik.Theodore William Schultz, * Arlington (South Dakota) 30. 4. 1902, ✝ Evanston (Illinois) 26. 2. 1998; lehrte 1930-43 am Iowa State College, 1943-72 Tätigkeit an der University of Chicago, ab 1952 dort Dekan der Wirtschaftswissenschaften; zahlreiche Ehrendoktorate und Auszeichnungen.Würdigung der preisgekrönten LeistungSeit Beginn der Erforschung ökonomischer Grundlagen suchten Wissenschaftler nach den Ursachen für den Wohlstand von Volkswirtschaften. Zunächst sah man im Handel den Reichtum von Nationen begründet, später erlangte der Produktionsfaktor Boden an Bedeutung und schließlich machte man die Faktoren Arbeit, Kapital und den technologischen Fortschritt für das Wirtschaftswachstum verantwortlich. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich dann eine neue Wachstumstheorie, die sich mit der Rolle des »Humankapitals« auseinander setzte.Die Analysen zur Wirtschaftsentwicklung von Schultz und Lewis ergänzen sich in vielen Ansätzen. Schultz beschäftigt sich mit strategischen Fragen der Effizienzbedingungen beim Einsatz von Produktionsfaktoren. Nach seiner Auffassung ist die Verknüpfung von beruflicher Qualifikation, Schulbildung und Forschung und vor allem ihre ökonomische Umsetzung der entscheidende Einflussfaktor für das Wirtschaftswachstum. Schultz gilt daher auch als Pionier der seit Ende der 1950er-Jahre verstärkt betriebenen Forschung über die Auswirkungen von Humankapitalinvestitionen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Für Lewis ist zudem die Effizienz und Entwicklung des Agrarsektors von wesentlicher Bedeutung für die Situation und das Wachstum in den Entwicklungsländern. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Entwicklungsländer eine duale Wirtschaftsstruktur aufweisen, mit einem dominierenden stationären Agrarsektor in Form einer Selbstversorgungswirtschaft und einem marktorientierten dynamischen Industriesektor, der von einem unbegrenzten Arbeitsangebot aus den ländlichen Gebieten profitiert. Bei der Untersuchung der internationalen Handelsbeziehungen stellte Lewis fest, dass das Produktivitätsgefälle in der Landwirtschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern der Grund für die Armut der Dritten Welt ist und das geringe Wachstum aus den Terms-of-Trade-Effekten mit den entwickelten Nationen resultiert. Unter Terms of Trade versteht man das reale Austauschverhältnis zwischen zwei Ländern ausgedrückt als Preisverhältnis zwischen Exporten und Importen.Agrarwirtschaft und BildungsinvestitionenSchon in früher Jugend wurde Schultz mit den Problemen in der amerikanischen Landwirtschaft konfrontiert. Der damalige Ruin zahlreicher Farmer veranlasste ihn, Agrarwissenschaften und Ökonomik zu studieren. In seinen späteren Studien untersuchte er die Krisenerscheinungen der US-Landwirtschaft Anfang des 20. Jahrhunderts sowie die Armut und Entwicklungsprobleme der landwirtschaftlichen Regionen in Entwicklungsländern. 1964 erschien sein bahnbrechendes Buch »Transforming Traditional Agriculture« (englisch; Transformation der traditionellen Landwirtschaft). Schultz behandelte in seinen Arbeiten die Agrarökonomie immer als integrierten Bestandteil der Gesamtwirtschaft. Seine Analysen konzentrierten sich auf die volkswirtschaftliche Unausgewogenheit zwischen Armut und Unterentwicklung im landwirtschaftlichen Sektor und dem höheren Produktivitäts- und Einkommensniveau im produzierenden Sektor in den Industrie- wie auch in den Entwicklungsländern. Er kritisierte die damalige Wirtschaftspolitik in den Entwicklungsländern, die unter Vernachlässigung der Landwirtschaft nur die Industrialisierung vorantrieb. Schultz erkannte als erster die Bedeutung von Ausbildungsinvestitionen für die Produktivität in der gesamten Volkswirtschaft. Für die US-amerikanische Wirtschaft konnte er für einen langen Zeitraum zeigen, dass die erzielten Erträge aus rapide steigenden Ausbildungsinvestitionen deutlich höher lagen als bei Investitionen in physisches Kapital. Sein Vorschlag, den Umfang der Bildungsinvestitionen an die Höhe der Investitionen in Werkzeuge und Maschinen anzugleichen, sorgte auch in der Politik für große Aufmerksamkeit.Im Zusammenhang mit dem Produktionsfaktor Mensch hat sich Schultz auch mit Fragen zur Gesundheit beziehungsweise Krankheit als wesentlichem Einflussfaktor der Wirtschaftsentwicklung in der Dritten Welt wie auch mit der Bevölkerungsentwicklung im Allgemeinen beschäftigt.Die Armut in den EntwicklungsländernLewis gilt als Pionier auf dem Gebiet der Erforschung von Entwicklungsländern. Er versuchte, die Ursachen für die Armut und die geringen Wachstumsraten in der Dritten Welt zu bekämpfen. Mit zwei theoretischen Erklärungsmodellen, welche er empirisch belegen konnte, beschrieb Lewis die wesentlichen Probleme der Unterentwicklung. Das erste Modell basiert auf der dualen Beschaffenheit einer sich entwickelnden Ökonomie: Auf der einen Seite existiert ein landwirtschaftlicher Sektor als Selbstversorgungswirtschaft, in dem der Großteil der Bevölkerung beschäftigt ist und herkömmliche Produktionsmethoden zur Anwendung kommen. Auf der anderen Seiteexpandiert ein moderner marktorientierter Industriesektor aufgrund eines unbegrenzten Arbeitsangebots. Der Bevölkerungsdruck aus dem Agrarsektor sorgt dafür, dass die Löhne niedrig gehalten werden. Dies wiederum ermöglicht die Produktion billiger Produkte und die Erzielung hoher Gewinne. Die Arbeiter aus den ländlichen Regionen sind angesichts ihrer schlechten Lebensumstände gezwungen, das niedrige Lohnniveau zu akzeptieren. Der Industriesektor hingegen setzt die Gewinne zur Finanzierung von Anlageinvestitionen ein, um die Expansion weiter voranzutreiben.Das andere Modell von Lewis beschäftigt sich mit der Bestimmung der Terms of Trade zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, indem zum einen die Produktion von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten, zum anderen die Herstellung von Industrieerzeugnissen betrachtet wird. In beiden Ländergruppen werden Nahrungsmittel erzeugt. Zusätzlich wird in unterentwickelten Ländern Kaffee und in den industrialisierten Ländern Stahl produziert. Beide Produkte werden auf dem Weltmarkt gehandelt. Lewis konnte nun zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen die Terms of Trade durch das Verhältnis der Arbeitsproduktivität im Agrarsektor zwischen den beiden Ländern bestimmt werden. Die relativ geringere Produktivität in Entwicklungsländern im Vergleich zu den reichen Ländern ist ausschlaggebend für die langfristige Entwicklung der Terms of Trade. Lewis attestierte ein Ungleichgewicht bei den Handelsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, welches eine einseitige Abhängigkeit von schwankenden Marktpreisen und die Benachteiligung vieler Entwicklungsländer bei Tauschgeschäften zur Folge hat. Seiner Meinung nach kann nur ein verstärkter Handel der Entwicklungsländer untereinander auf der Grundlage einer arbeitsteiligen Spezialisierung Abhilfe schaffen.Schließlich plädierte Lewis für eine angemessene Förderung der Industrie, die im Einklang mit einer ausgearbeiteten und wohl überlegten Agrarpolitik stehen sollte, da sich beide in einer Abhängigkeit befinden: Zum einen nimmt die Industrie landwirtschaftliche Produkte auf und steigert damit das Einkommen im Agrarsektor, zum anderen erhöht die zunehmende Kaufkraft der ländlichen Bevölkerung die Nachfrage nach industriellen Erzeugnissen.R.Füss, G. Vorsatz
Universal-Lexikon. 2012.